01.01.2021


Johannes Stankowski: „Alles wird weiß“



WEIHNACHTEN MIT DEN BIEDERMEIERS



Als sich Johannes Stankowski dazu entschloss, Musik für Kinder zu machen, legte er sich von Anfang an auf das Konzept fest, einen jahreszeitlichen Liederzyklus zu kreieren. Den ersten beiden Alben „Alles wird bunt“ und „Alles wird grün“ folgte konsequenterweise also die Produktion „Alles wird weiß“. Sie formuliert den Anspruch, Kinder und Eltern musikalisch durch den Advent zu begleiten – und diesem Anspruch wird das Album durchaus gerecht.

Eine Kinderstimme eröffnet das Album zu sanfter Klavierbegleitung und schwärmt romantisch-verklärt von der Besonderheit der „Weihnachtszeit“. Auch das „Lied vom Nikolaus“ wird von einem Kind gesungen und hat eine ähnlich ruhige Anmutung. Jenseits dieser zwei Titel hat jedoch Johannes Stankowski selbst das Zepter in der Hand und fängt die vorweihnachtliche Stimmung mit rührender Beobachtungsgabe ein. Er verzichtet auf Neuinterpretationen traditioneller Weihnachtslieder und konzentriert sich stattdessen voll darauf, sein Talent in die Komposition eigener Songs zu stecken.

Einfühlsam appelliert er in „Hab noch ein wenig Geduld“ an die Selbstbeherrschung ungeduldiger Kinder. (»Hab noch ein wenig Geduld, das Fest ist schon nah / dieser Weihnachtstumult ist doch auch wunderbar.«) In „Im Winter die Tiere“ beobachtet er die Vorbereitungen, die verschiedene Tiere mit Einzug des Winters treffen. „Heute wird das Jahr zu Ende gehen“ greift zu leicht treibenden Bossa Nova-Rhythmen die eigentümliche Atmosphäre zwischen den Jahren auf. (»Dann feiern wir Silvester / mit großem Knall-Orchester bunt und schön / und wir umarmen uns nochmal ein kleines bisschen fester / denn heute wird das Jahr zu Ende gehen.«) „Schlitten fahren“ ist hingegen eines der wenigen Lieder, das vergleichsweise temporeich daherkommt. Besonderes Ohrwurm-Potential hat das fröhlich intonierte „Wünsch dir was“. Schade, dass ausgerechnet dieser Song ein überraschend abruptes Ende findet. Geheimnisvoll und voller Pathos schließt „Der Holzengel“ die Liedersammlung schließlich ab.

Wohldosiert lässt Johannes Stankowski auch bei dieser Produktion seine ausgewiesene Expertise als Songwriter durchschimmern. Viele Songs bestechen durch feine harmonische Wendungen und fallen hier und da bewusst aus der Form. Trotzdem unterlässt er es, sie komplex zu überfrachten. So bleibt die Platte eingängig, ohne eintönig zu klingen. Längst hat Stankowski seinen eigenen Kindermusik-Stil gefunden. Der ist maßgeblich von dem Anspruch gekennzeichnet, inhaltlich wie musikalisch Nostalgie verbreiten zu wollen. Kinderlieder, die aus dieser Haltung heraus entstehen, sind in der Regel von einer erwachsenen Perspektive geprägt und neigen bisweilen zu idealisierten Darstellungen. Das ist nicht unbedingt jedermanns Sache, dürfte Kindern aber gerade zur Weihnachtszeit gut gefallen.

Fazit: Im Vergleich zu zahlreichen anderen Weihnachts- und Winterlied-Produktionen für Kinder sticht „Alles wird weiß“ auf jeden Fall positiv hervor, denn Johannes Stankowski ist ein versierter Musiker und als solcher nimmt er die Sache mit der Kindermusik sehr ernst. Er neigt jedoch zu Kindheitsbildern, denen der Zeitgeist des Biedermeier zugrunde liegt. Diese Epoche war von einer besonderen Hinwendung zum Kind sowie vom Rückzug ins häusliche Glück geprägt. Eine idyllische, heile Welt kennzeichnete diesen Gegenentwurf zu den real existierenden Verhältnissen. Diese Idylle reproduziert Stankowski in seinen Liedern – auf „Alles wird weiß“ bereits zum dritten Mal in Folge. Die Idee, einen Liederzyklus zu den vier Jahreszeiten zu erschaffen, verführt offenbar dazu, bewährte Herangehensweisen fortlaufend zu reproduzieren. Der Vielfalt und Komplexität kindlicher Lebenswelten wird diese Perspektive nicht immer gerecht. Wenn es aber eine Jahreszeit gibt, zu der sie passt, dann ist es sicherlich der Winter. Mit ihm verbinden viele Menschen die Sehnsucht nach Wärme, Ruhe und Geborgenheit. All das finden Kinder und Eltern in den Liedern dieses Albums – sofern sie es denn suchen.


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Erschienen bei


Pänz Verlag GmbH

Veröffentlicht


2017

Bewertung der Redaktion: 4/5


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