01.01.2021


Muckemacher: „Biri Bababai“



Großes Kino für die Ohren!



Für die Muckemacher lassen sich innerhalb der Gattung Kindermusik bislang weder Vorbilder noch Nachahmer finden. Herausragendes Alleinstellungsmerkmal dieser Band ist ihre stilistische Vielfalt. Ihr Global Sound vereint Balkanbeats, Calypso, Rocksteady, Hip-Hop, Cumbia, Dub, Gypsy und Swing, garniert mit einer absolut charakterstarken Stimme. Auf ihrem dritten Album „Biri Bababai“ präsentieren Verena Roth und Florian Erlbeck einmal mehr die ganze Bandbreite ihres Könnens. Längst hat sich die Qualität ihrer musikalischen Arbeit für Kinder rumgesprochen. Nicht nur Eltern-Magazine und -Blogs, sondern auch überregionale Tageszeitungen wie die taz, Die Zeit oder die Süddeutsche Zeitung zeigen sich begeistert von ihrem besonderen Stilmix. Zuletzt ist auch das Goethe-Institut auf die Band aufmerksam geworden und hat einen Song bei ihnen in Auftrag gegeben.

Wie schon bei den zwei vorangegangenen Alben „Diggidiggi Bambam“ und „Kurukuku“ deutet der lautmalerische Titel „Biri Bababai“ auch diesmal an, dass die Muckemacher dem klanglichen Flow-Erlebnis Vorfahrt einräumen. Wummernde Bässe, treibende Grooves, melodiöse Bläsersätze und gezielt eingesetzte Effekte: Das sind die elementaren Zutaten ihrer Songs. Und doch hat das Duo auch reichlich Erzählstoff im Gepäck. Schon im beschwingten Opener mischen sich deutsche und englische Textfragmente und prompt werden starke Mädchen zu „Rude girls“ (»We are the rude girls in town / running the streets up and down.«) Der nachfolgende Track „Käsebrot“ rückt eine perkussive Baseline sowie treibende Offbeats in den Mittelpunkt und positioniert sich inhaltlich gegen Mobbing und Ausgrenzung. (»Man muss nicht so sein wie die andern / ein kleines bisschen mehr respect, man.«) Mit einem funky Gitarrenriff, das stilistisch an Jamiroquai erinnert, schwingt sich „Mama Cool“ zu einer Mütter-Hymne empor, deren Groove von Beginn an verfängt. Bevor die kurze Uptempo-Nummer „Cirque du Pönk“ (zumindest in Dezibel gemessen) den vorläufigen Höhepunkt der Platte markiert, lassen die Muckemacher für „Schoko Riddim“ noch schnell alte Weggefährten von der Münchener Band Les Babacools ans Mikrofon – für eine ordentlich getunte Version des Lieds „Schokolade“ von ihrem Debut-Album.

Kurz durchschnaufen. Was war denn das? Schon bis hierher hat einem „Biri Bababai“ die Gehörgänge gewaltig durchgespült und Herz, Hirn, sowie Hüften und Tanzbein in Verzückung versetzt. Und genau so geht es auch weiter. Mit druckvollem Sound, der einem guten Seeed-Song in nichts nachsteht, feiert „Hallo Berlin!“ das Lebensgefühl der Hauptstadt und Wahlheimat der Muckemacher. Etwas ruhiger geht es dann wieder im Titelsong „Biri Bababai“ zu, das in Begleitung eines Akkordeons volkstümlicher daherkommt und im Text das Verstreichen der Zeit beklagt. (»Ich will aber noch bleiben / es ist gerade so schön / ich will aber noch bleiben / denn zuletzt geht der Kapitän.«) Komplett in englischer Sprache beschreibt das leicht melancholische „Oh Girl, oh Boy“ die manchmal widersprüchlichen Erwartungen zwischen Eltern und Kindern. Zu südamerikanischen Klängen feiert „Freunde“ die Freundschaft und mit „S.O.S.“ hat die Band sogar auch einen Song zum Thema Klimaschutz im Gepäck, der Erinnerungen an den Sound von Manu Chao weckt. (»S.O.S. und Alarm, die Erde ist in Gefahr / S.O.S. und Alarm, wir brauchen jetzt nen Plan.«)

Fazit: Aus gutem Grund schreiben sich die Muckemacher den Anspruch „Musik für alle“ auf die Fahnen. Professioneller, stilechter, außergewöhnlicher und mitreißender kann Musik für Kinder kaum klingen. Wenn dabei nicht auch Mama oder Papa ins Schwärmen geraten, dann ist ihnen nicht mehr zu helfen. Das Berliner Duo hat eine ganz eigene Nische zwischen belangloser Blödelei und kommerziellem Kinderzimmer-Pop ausgemacht und sie sogleich selbstbewusst besetzt. Der schwierige Spagat, im gern als „Global Pop“ bezeichneten Genre stilecht zu arbeiten, zugleich aber an die leider nicht sehr groove-kompatible deutsche Sprache gebunden zu sein, gelingt selbst nur wenigen Bands für Erwachsene. Umso beeindruckender ist es, mit welcher Leichtigkeit und Spielfreude die Muckemacher dieses Kunststück in die Gattung Kindermusik überführen. Dieses besondere Talent zeichnete sich bereits auf dem ersten Album ab und findet mit „Biri Bababai“ eine in jedem Takt überzeugende Fortführung. Ob es Zufall ist, dass das abschließende Instrumentalstück „Mischmasch“ ebenso gut das Finale eines mitreißenden mexikanischen Western untermalen könnte? Es besteht jedenfalls kein Zweifel daran, dass „Biri Bababai“ großes Kino für die Ohren ist!


Video




Erschienen bei


Tupani Records

Veröffentlicht


2019

Bewertung der Redaktion: 5/5


Künstler*in



Pressefoto Muckemacher

Muckemacher

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