01.01.2021


Toni Geiling: „Gedanken wollen fliegen (remastered)“



Folkige Kinderlieder voll märchenhafter Phantasie



Das Album „Gedanken wollen fliegen“ markierte bereits vor 15 Jahren den Startschuss für Toni Geilings Karriere als Kindermusiker und wurde damals sogleich mit dem Medienpreis „Leopold“ ausgezeichnet. Die musikalischen Wurzeln des umtriebigen Liedermachers ragen aber noch viel weiter in die Vergangenheit. Nach dem Abitur lebte er vier Jahre lang in Irland und spielte dort als Geiger an der Seite des irischen Liedermachers Tony Small. In Australien gründete er das „New Acoustic Collective“ und , mit Musiker*innen aus aller Welt produzierte er das Projekt „Voyage – eine musikalische Weltreise“. Vor dem Hintergrund all dieser Erfahrungen ist Toni Geiling mit seiner ganz eigenen musikalischen Handschrift gesegnet. Auch mit der Neuveröffentlichung des Albums „Gedanken wollen fliegen“ hat er einen in der Kindermusik-Szene eher ungewöhnlichen Schritt unternommen – denn Kindermusiker*innen machen sich ausgesprochen selten die Mühe, ihre eigenen Platten zu remastern. Toni Geiling hat es getan und bereichert den Musikmarkt für Kinder damit um ein sehr besonderes Kunstwerk.

Mit Popmusik haben seine Lieder ebenso wenig zu tun, wie seine Texte mit dem Alltag von Kindern. Toni Geiling vermeidet es, sich konkret an Themen abzuarbeiten und pflegt stattdessen einen poetischen Umgang mit Sprache. Seine Lieder gleichen vertonten Gedichten, in denen sich komplexe Klang- und Wortgebilde gegenseitig zuspielen. Inhaltlich stecken sie voll märchenhafter Phantasie und laden Kinder zum Träumen und Innehalten ein, anstatt zum Hüpfen, Tanzen und Springen. Akustisch ergänzen Instrumente wie Geige, Maultrommel, singende Säge, Tuba, Glockenspiel und Banjo die klassische Besetzung aus Gitarre, Klavier, Kontrabass und Schlagzeug.

Im Ergebnis entstehen kleine musikalische Geschichten, die nur selten auf eine Pointe hinauslaufen, sondern vielmehr um eine minimalistische Idee kreisen. Wie etwa im Lied „Wer wohnt wie, warum und wo?“, in dem verschiedene Orte und die „Lebewesen“, die dort wohnen, besungen werden. (»Gedanken schlummern dir im Kopf / im Herzen ruht die Seele / die Suppe schwimmt im Suppentopf / im Wasser die Makrele.«) In „Frühling, Sommer, Herbst und Winter“ personifizieren »Winterzwerg und Haselfrau, Frühlingsfee und Sommerfaun« die vier Jahreszeiten. Und im Lied „Das Geheimnis“ bleibt bis zuletzt unklar, worin genau das Geheimnis des Turms liegt, der weit über den Wolken frei in der Luft schwebt. (»Vielleicht ist es ein Zimmer, eine Kammer, ein Saal oder ein Balkon / doch vielleicht ist es sogar eine Tankstelle für deinen Heißluftballon.«) Oft wird auch Bewährtes einfach auf den Kopf gestellt. Etwa, wenn die Geister in der „Gespensterstunde“ nur Blödsinn verzapfen, oder wenn „Theobald der Drache“ mit seinem Feuer ganz harmlos Spiegeleier brät.

Musikalisch erzeugt „Gedanken wollen fliegen“ nicht durchgehend unbeschwerte Heiterkeit. Viele Lieder sind in Moll-Tonarten komponiert, manchmal erzeugen sie eine düstere, fast schaurige Stimmung. Doch immer laden sie zum konzentrierten Zuhören ein. Mit seinem von Folk-Musik inspiriertem Ansatz geht Toni Geiling ganz bewusst auf Distanz zu klassischer Kindermusik-Kultur und erschafft gerade damit Klangwelten von besonderer Qualität.

Fazit: Vergeblich wird man innerhalb der Gattung Kindermusik nach stilistischen Vorbildern für dieses Album suchen. Schon vor 15 Jahren hat Toni Geiling mit „Gedanken wollen fliegen“ seinen eigenen musikalischen Kosmos erschaffen. In der nun vorliegenden Sonderedition hat er zahlreiche Songs durch die musikalische Zusammenarbeit mit dem Wolkenorchester noch einmal veredelt. Das Album ist ein flammendes Plädoyer für Individualität und künstlerischen Eigensinn. Ganz so, wie es das titelgebende Lied vorgibt: »Denken, träumen, überlegen / spinnen und dann drüber reden / unsere Fantasie kann Sachen / die die Welt viel schöner machen.«


Video




Erschienen bei


New Acoustic Collective

Veröffentlicht


2020

Bewertung der Redaktion: 5/5


Künstler*in



Pressefoto Toni Geiling

Toni Geiling

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