Albumcover "Jeder und jede"
28.06.2024


Larifari: „Jeder und jede“



Alles inklusive



„Elf verspielte Lieder über das besonders sein“ verspricht das neueste Werk von Larifari, einem Musiker*innen-Kollektiv aus Mannheim, das innerhalb der Kindermusikszene noch immer den Status als Geheimtipp hat. Eigentlich erstaunlich, haben Henri Heiland und Jan Hinrichs doch bereits 2016 ihre erste Platte für Kinder veröffentlicht und sind seitdem auch als Liveband recht umtriebig unterwegs. „Jeder und Jede“ ist das nunmehr dritte Album von Larifari, für dessen Umsetzung die beiden Bandgründer erneut viele befreundete Musiker*innen zum Mitmachen angestiftet haben. Mit dem Anspruch, ein Kindermusikalbum mit Liedern über Diversität und Inklusion zu realisieren, haben sie diesmal vor allem die inhaltliche Messlatte sehr hoch gehängt. Einleitend können wir jedoch bereits festhalten, dass die Band diese Herausforderung überzeugend meistert.

Stilistisch ist „Jeder und jede“ von einer musikalischen Vielfalt durchzogen, die sich oft mitreißend zwischen Indie-Pop und Disko-Funk bewegt. Ähnlich wie in Fabeln, greifen dabei fast alle Songs erzählerische Analogien zur Tierwelt auf und laden auf jeweils eigene Weise zum entspannten Perspektivwechsel ein. Der Opener „Fische an Land“ zum Beispiel nimmt uns mit in eine Welt, in der allerlei Meeresbewohner wie selbstverständlich ein Sonnenbad am Strand nehmen. „Rot, blau, lila“ erzählt von einem weißen Kakadu im Regenwald, der gerne genauso bunte Federn hätte, wie seine deutlich farbenfroheren Nachbarn, die Papageien. „Hey, Frau Krake“ gibt eine Einführung in Gebärdensprache und während „Verschieden“ die Freundschaft zwischen unterschiedlichen Tieren würdigt, nimmt sich der Titelsong „Jeder und jede“ das ganze animalische Spektrum zum Vorbild, um Individualität und Einzigartigkeit zu feiern.

Beständig wechseln sich diese eher temporeichen Songs mit Liedern ab, die auch der ruhigen Seite von Larifari Raum geben. Begleitet von Instrumenten wie dem Qanun und der Oud, nimmt beispielsweise „Sei mein Gast“ die jungen Hörer*innen mit in die Wüste und sorgt so auch klanglich für Abwechslung. Mit sorgfältig dosiertem Pathos und dem Mut zur ausschweifenden musikalischen Form, vermittelt „Zuhause“ die Zuversicht, dass das Gefühl von Heimat auch in der Fremde zu finden ist und voller Melancholie erinnert „Hallo kleines Samenkorn“ an die Beständigkeit von Wachstum und Entwicklung.

Musikalisch und inhaltlich ist „Jeder und jede“ also tatsächlich ziemlich abwechslungsreich geraten und greift das Thema Inklusion dabei erfreulich undogmatisch auf. Doch Larifari haben sich noch viel mehr einfallen lassen, um dem selbstformulierten Anspruch, diversitätssensible Kinderlieder in die Welt zu bringen, tatsächlich auch gerecht zu werden. So hat die Band gleich zwei Musikvideos mit dem inklusiven Projekt „Tonstudio 13“ produziert und unterstützt damit auch auf visueller Ebene die Repräsentation häufig marginalisierter Gruppen. Zu sieben weiteren Titeln haben Larifari außerdem Gebärden-Videos umgesetzt. Positiv hervorzuheben ist auch, dass in den elf Songs viele verschiedene Sänger*innen zum Zug kommen, die ihrerseits für Abwechslung sorgen. Und weil sich Larifari darüber im Klaren sind, dass sich Kindermusik inzwischen kaum noch auf CD’s verbreitet, hat die Band als physisches Produkt zum Album ein Bilderbuch mit Illustrationen von elf verschiedenen Künstler*innen gestalten lassen, das als besondere Zugabe auch einen exakt auf CD-Rohlinge zugeschnittenen Aufkleber enthält. Auf eine schön gestaltete CD muss also trotzdem niemand verzichten. Ziemlich geschickt, den Spieß im Wettstreit zwischen Streaming und Tonträger-Geschäft auf diese Weise umzudrehen. Bei so viel inhaltlichem und gestalterischem Ideenreichtum dürften kaum noch Wünsche offenbleiben.

Fazit: Am Anspruch, ein inklusiv ausgerichtetes Konzeptalbum für Kinder zu produzieren, ist der ein oder andere Kindermusik-Act schon gescheitert. Larifari finden jedoch eine angenehm unverkrampfte Herangehensweise an dieses Vorhaben. Deutlich an jüngere Kinder adressiert, erspart sich die Band jede lässige Attitüde und aufgesetzte Coolness und trumpft stattdessen mit großer Authentizität auf. „Jeder und jede“ klingt nicht wie ein glattpoliertes Pop-Album und sieht auch nicht danach aus – und genau darin liegt die besondere Stärke dieser Produktion. Getragen von vornehmlich akustischen Instrumenten, durchzogen von ebenso viel Musikalität wie professionellem Anspruch und angereichert mit ansteckender Leichtigkeit, entwickeln die Lieder des Mannheimer Kollektivs eine eigenwillige poetische Kraft, die trotz des ernsten Anliegens der Platte weder ins Didaktische noch ins Peinliche kippt. Dazu trägt auch das gute Gespür der Band für spannende Talente bei. War es auf der letzten Platte noch die Sängerin Eva Sauter, die als echte Bereicherung für die Kindermusikszene auffiel, so ist es jetzt Lynn Robson, die mit ihrer Stimme neue, aber nicht weniger überzeugende Akzente setzt. Mit „Jeder und jede“ repräsentieren Larifari eine selbstbewusste und im positivsten Sinn unbekümmerte Spielart von Kindermusik. Völlig zu Recht wurde die Band deshalb jüngst vom Verband der deutschen Musikschulen für den Kindermedienpreis Leopold nominiert. Gut möglich, dass der Geheimtipp von heute vielleicht schon morgen gar nicht mehr so geheim sein wird.


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Erschienen bei


hin und herr produktionen

Veröffentlicht


2024

Bewertung der Redaktion: 4/5


Künstler*in



Bandfoto Larifari

Larifari

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