09.07.2021


Johannes Stankowski: „Tausend schöne Dinge“



EIN FAST SCHON ZU PERFEKTER SOMMERTAG



Der Kalender von Johannes Stankowski folgt seinem eigenen Rhythmus. Der Sommer kommt bei ihm erst nach Frühling, Herbst und Winter. Sein viertes Album „Tausend schöne Dinge“ feiert die wärmste Jahreszeit und all das, was Kinder und ihre Familien draußen erleben können. Die Produktion vollendet also seinen 2015 begonnenen Jahreszeiten-Zyklus. Wie schon bei den vorangegangenen Produktionen widersteht Stankowski auch hier der Versuchung, sich thematisch ausschließlich an den Klischees abzuarbeiten, die man bei einem Konzeptalbum über den Sommer erwarten würde. Im Mittelpunkt steht ein sonnendurchflutetes Lebensgefühl, das er aus der Perspektive von Kindern für Kinder zum Klingen bringt – und die ist definitiv urban geprägt.

Das zeigt bereits der erste Song „In unserem Garten“, der die Hörer*innen direkt in den Schrebergarten entführt. Auch im Titelsong „Tausend schöne Dinge“ nimmt Stankowski sie mit auf einen Streifzug durch seine Heimatstadt Köln. Zum Glück übertreibt er es aber nicht mit den lokalpatriotischen Bezügen. In „Schnitzeljagd“ überträgt er die temporeiche Dynamik des gleichnamigen Kinderspiels direkt auf die Musik, das ruhige „Bei Till in Frankreich“ ist dagegen eine eher verträumte Liebeserklärung an die Ferien. Auch das hymnische „Sommer am Meer“ trägt dazu bei, dass das Album hält, was es seiner Ankündigung nach verspricht. In all diesen Liedern hält Stankowski das hohe musikalische Niveau, das man inzwischen von ihm gewohnt ist. Doch auch jenseits dieser fünf Songs mit mehr oder weniger direktem Jahreszeitenbezug hat die Produktion schöne Entdeckungen anzubieten.

Zu perkussivem Groove feiert „Mein allerbester Freund“ die Freundschaft, „Das nächste Riesending“ fördert den kreativen Erfindergeist von Kindern und selbst bei einem Lied wie „Alles nur ein Traum“, das eines der meistbesungenen Kinderlieder-Themen aller Zeiten aufgreift, lässt die musikalische Herangehensweise von Stankowski neugierig aufhorchen. Der herausragendste Song der Platte ist jedoch „Ganz für mich allein“, denn hier verdreht sich plötzlich die Perspektive. Nun nehmen die Kinder das Mikrofon in die Hand und richten sich mit einem dringlichen Appell an die Erwachsenen: »Sagt einfach alles ab und hört auf eure Kinder / so jung werdet ihr uns auf jeden Fall nie wiedersehen / genießt die Zeit, bald sind wir aus dem Haus / jetzt sind wir noch da, drum seid gescheit und macht was Schönes draus.«

Unbestritten pflegt Johannes Stankowski mit seinen Liedern einen ausgesprochen nostalgischen Ansatz. Das gilt nicht nur für seine Texte, sondern insbesondere auch für seine Musik. Stilistisch fühlt er sich in einer Vintage-Welt zuhause, zugleich beherrscht er das Handwerk eines guten Arrangeurs und Komponisten. Den Ohren geschmackssicherer und musikalisch anspruchsvoller Eltern wird sein musikalischer Einfallsreichtum ganz sicher schmeicheln. Seine romantisch-verklärte Perspektive auf die Kindheit wirkt über die Länge von zehn Songs jedoch etwas verzerrt.

Fazit: „Tausend schöne Dinge“ klingt wie ein fast schon zu perfekter Sommertag. Ohne Zweifel hat Stankowski ein gutes Händchen dafür, die Gefühle und Bedürfnisse von Kindern empathisch zu erfassen und eingängige Kinderlieder daraus zu erschaffen. Offenbar weigert er sich aber, auch den Widersprüchlichkeiten und Herausforderungen im Leben eines Kindes Platz einzuräumen. Dieses Manko ändert jedoch nichts daran, dass sich Stankowski in kürzester Zeit einen guten Namen als Musiker für Kinder gemacht hat. In seiner Heimatstadt Köln hat er sich längst eine große Fangemeinde erspielt. Die wird gespannt darauf warten, was sich der Musiker als nächstes einfallen lassen wird. Im Rheinland gilt ja der Fasching als die fünfte Jahreszeit. Hoffentlich verzichtet Stankowski darauf, nun auch noch diese zu besingen. Nach vier Alben mit Jahreszeitenbezug wäre es an der Zeit, das einengende Korsett abzulegen und vollends befreit aufzuspielen.


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Erschienen bei


Pänz Verlag GmbH

Veröffentlicht


2019

Bewertung der Redaktion: 4/5


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